Smart Investor: Herr Armstrong, der neue Dokumentarfilm The Forecaster startet mit einem Wahrsager, der ausgerechnet Ihnen die Zukunft liest. War das nur ein Scherz, oder was war die Idee dahinter?
Armstrong: Für mich war es auch eine Überraschung. Der Typ war echt und ist in Asien ziemlich bekannt. Es war eine interessante Erfahrung.
Smart Investor: In Ihrem Blog www.armstrongeconomics.com beschreiben Sie, dass der Film, der in den USA bereits angelaufen ist, überwiegend sehr positive, aus New York aber ungewöhnlich schlechte Bewertungen erhalten hat. Haben die New Yorker Finanzkreise immer noch Probleme mit Ihnen?
Armstrong: Das sind im Wesentlichen die Money Center Banks. Es war immer ein Kampf zwischen denen und mir. Ich bin lange genug im Geschäft, um Ihnen zu sagen, wie alles begonnen hatte: … Irgendwann erkannte Goldman Sachs, dass eine Art umgekehrte Übernahme der Regierung für sie der richtige Weg ist. In der Folge wurden Typen wie Robert Rubin und Hank Paulson, frühere Goldman-Sachs-Leute, als US-Finanzminister zuständig für US-Staatsanleihen. Auch Ihr EZB-Chef stammt ja von Goldman Sachs. Wenn Sie sich all die Regierungsstellen ansehen, wo die ihre Leute untergebracht haben, ist das wirklich erstaunlich. Sie sind gewissermaßen über dem Gesetz.
Smart Investor: Ist das ausschließlich ein Goldman-Sachs-Thema?
Armstrong: Goldman Sachs ist wahrscheinlich der Rädelsführer. … Dieselbe »Kultur« hat nun auch europäische Banken befallen. Aber New York ist New York. Hier kontrolliert »der Club« die Gerichte und die Regierung. Die denken gar nicht daran, diese Position aufzugeben.
Smart Investor: Sie wurden für sieben (!) Jahre wegen »Missachtung des Gerichts« in Beugehaft genommen. Eine unglaublich lange Zeit. Warum waren »die« so sauer auf Sie?
Armstrong: Im Wesentlichen war es – wie wir das nennen – ein »Mexican Stand-off«, also eine ziemlich explosive Pattsituation. Letztendlich mussten sie mich aber freilassen, weil ich mich an den Obersten Gerichtshof wandte. … Das Gesetz beschränkt die Beugehaft auf 18 Monate. Punkt. Man kann Leute auf dieser Basis nicht einsperren, bis sie sterben. Es war ein richtiger Affenzirkus. … Die ganze Anschuldigung war nur eine unglaubwürdige Lüge.
Leider wird aber auch die Presse in New York überwiegend von den Banken kontrolliert. Die Banken haben eine Menge Macht, weil die Regierung eine Menge Schulden hat. Sie sind die Mittelsmänner für den Staatsanleihenhandel: »Wenn ihr uns nicht rettet, seid ihr pleite.« Das ist die Logik. Sie
bekommen die Riesenrettungen, niemand geht ins Gefängnis. Sie können die ganze Welt anschmieren und kommen damit durch.
Smart Investor: Wie hat Sie die Zeit im Gefängnis verändert?
Armstrong: Nun, mir war nicht bewusst, wie schlimm es um das US-Rechtssystem steht. Mein Vater war Rechtsanwalt und Richter. Ich vertraute darauf, dass sich die Anschuldigungen gegen mich als haltlos herausstellen würden. …
Smart Investor: In dem Film werden die Ereignisse rund um Russland beleuchtet, die in engem zeitlichen Zusammenhang mit Ihrer Inhaftierung standen. Gab es auch eine sachliche Verbindung?
Armstrong: Ich denke, es gibt da Verbindungen, weil die Beugehaft erst begann, nachdem der Chef der Republic National Bank, Edmond Safra, am 3. Dezember 1999 ermordet wurde. Eine Woche später wurden »sie« gegen mich aktiv. Sie erkannten wohl, dass sie keinen regulären Prozess gegen mich riskieren konnten. Ich wusste, was gespielt wurde, und sie hatten Angst, dass es herauskommen würde.
Smart Investor: Gehen wir in Ihrer Geschichte weiter zurück, zur Basis Ihres Prognosemodells. Münzen spielten in Ihrer Jugend eine große Rolle, aber nicht alle Münzsammler schreiben solche Prognoseprogramme. Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Armstrong: Hauptsächlich interessierte ich mich für das Trading und ich wollte dann ein Modell dafür entwickeln. Die Münzen, die ich leidenschaftlich sammelte, waren sehr alt. Ich wusste, dass ich daraus eine Datenbank machen konnte. So fragte ich mich, wie Rom wirklich fiel. … Als ich das Puzzle zusammengesetzt hatte, war ich sehr überrascht. Der eigentliche Fall Roms dauerte ganze 8,6 Jahre. Es geschah also extrem schnell. ...
Smart Investor: Ihre Prognosen gelten als erstaunlich präzise. Wie erklären Sie sich das?
Armstrong: Wenn man die von mir untersuchten 224 Jahre durch die Anzahl der 26 internationalen Paniken teilte, ergibt das wieder 8,6 Jahre. Zuerst dachte ich, das sei nur ein Durchschnitt. Tatsächlich aber stimmte es auf den Tag genau. Das war äußerst überraschend. … Es stellte sich heraus, dass es die Zahl Pi ist. … Ich weiß nicht, was es ist. Jeder versteht, dass es Konjunkturzyklen gibt. Der Ökonom Joseph Schumpeter nannte sie die »Wellen kreativer
Zerstörung«. Alles ist von den Zyklen betroffen. Ich glaube, das ist das wahre Wesen des Universums. ... Im Oktober 2015 startet nach meinen Berechnungen die nächste Zerstörungswelle.
Smart Investor: Auch beim Euro sahen Sie voraus, dass er nicht funktionieren würde. Gab es neben der »magischen Zahl« Pi weitere Überlegungen?
Armstrong: Ich warnte von Anfang an vor dem Euro. Bereits 1997 sagte ich auf einer Konferenz in London, dass der Euro scheitern werde: »Ihr versteht nicht, was ihr tut!« Nehmen wir beispielsweise Griechenland. Eigentlich hätte es erst die Schulden in den Griff bekommen müssen, dafür aber fehlte die politische Unterstützung. Also schlüpfte es erst unter den Euro, um die Schulden danach zu bereinigen. … Das Problem ist, dass wir überwiegend Anwälte als Politiker haben. Ihnen fehlt einfach die Erfahrung im Finanzbereich. … Und wir haben Notenbanken, die jene bestrafen, die »zu viel« haben. Das ist doch vollkommen verrückt. Man sollte die Leute ermutigen und den Rahmen bieten, selbst etwas zu schaffen. Dann werden auch die Verhältnisse besser. Wir aber bestrafen sie. Die Regierungen verstehen nur den einen Weg: Besteuern und bestrafen. …
Smart Investor: Kommen wir noch einmal zu den Zyklen. Haben Sie neben Pi noch andere Zyklen identifiziert?
Armstrong: Ja, ich denke jeder Markt hat seinen eigenen Zyklus. Die Dinge sind immer ein bisschen anders. Mein
Economic Confidence Model (ECM) befasst sich mit den großen Konjunkturzyklen. Es ist die Kombination aus allem – mehr oder weniger. Aber wenn Sie zu den Wendepunkten kommen, passiert es oft, dass ein Markt einen Gipfel erreicht, während ein anderer
gleichzeitig seinen Boden findet.
Smart Investor: Sind sich selbst erfüllende Prophezeiungen bei einem bekannten Marktorakel wie Ihnen nicht ein Problem?
Armstrong: Wenn ein Trend an einen Wendepunkt gelangt, wird er seine Richtung ganz unabhängig davon ändern, wer was gesagt hat. …
Smart Investor: Das nächste Ereignis im 8,6-Jahres-Zyklus haben Sie für den Oktober 2015 errechnet. Wie wird dieser »Schumpeter-Moment der kreativen Zerstörung« aussehen?
Armstrong: Die Zinsen wurden ja regelrecht nach unten, ja unter null gezogen. Diese Leute verstehen nicht, was sie damit anrichten. Theoretisch sollte das die Wirtschaft stimulieren. Tatsächlich aber gibt es sehr negative Auswirkungen auf die Ersparnisse für den Ruhestand. Die Pensionsfonds haben erhebliche Verluste. Sie schauen einfach nie auf beide Seiten der Münze. Wir befinden uns am Gipfel einer Blase bei den Anleihen – also einem Zinstief. Das wird sich langsam umdrehen.
Smart Investor: Und der Fed gehen ohne eine Zinserhöhung die Optionen aus?
Armstrong: Das ist genau das, worum es an dem Wendepunkt geht. Wir haben gleichzeitig einen Gipfel in der Ausdehnung des Staatsapparats – einen Gipfelpunkt des Sozialismus. Das ist das Gleiche wie beim Gipfelpunkt des Immobilienmarkts, nur ist es diesmal die Regierung, die ihren Höhepunkt erreicht hat. Die politische Szene ist durch und durch korrupt. Hillary Clinton zerstörte ihre E-Mails. Das ist ein Verbrechen wie bei Richard Nixon. Sie gehört wegen Behinderung der Justiz ins Gefängnis. Es ist eine Schande, dass sie nicht angeklagt wird und damit auch noch durchkommt.
Smart Investor: Neben den Zyklen betonen Sie, dass alles mit allem zusammenhängt. Ein großer Gold-Fan sind Sie aber trotz des von Ihnen erwarteten Anleihedesasters nicht. Ist Gold kein »sicherer Hafen«?
Armstrong: Ich bin kein Fan von Gold an sich. Selbst in der deutschen Hyperinflation wurde die Währung durch eine neue Währung ersetzt. Diese war durch Grundschulden gestützt. Es ist nicht so, dass Gold das Einzige ist, das es gibt. Alle Sachanlagen werden steigen – Immobilien, Kunst, all solche Dinge. Gold ist fein und ich denke, Sie sollten einen Anteil Gold haben. Unglücklicherweise
sind aber alle Regierungen in dieser Phase auf einer ungezügelten Jagd nach mehr Steuereinnahmen. Oft ist es gar nicht mehr möglich, einfach Gold zu haben. In den USA gilt es schon als »Geldwäsche«, wenn man Bargeld in ein Schließfach legt.
Smart Investor: Wie sähe denn eine tragfähige Lösung für die Zukunft aus?
Armstrong: Ich denke, dass der Tausch von Schulden gegen Eigenkapital der einzige Weg ohne Bürgerkrieg und totales Chaos ist. Vor allem muss die Regierung endlich mit der Schuldenmacherei aufhören – jetzt und auch in Zukunft. Das ist absolut notwendig. … Es ist einfach kein Zustand, dass sich die Regierungen weiter beständig Geld leihen, ohne die geringste Absicht, es je zurückzuzahlen.
Smart Investor: Abschließend eine philosophische Frage: Gesetzt, Sie könnten die Politiker überzeugen, wird der Zyklus sich nicht dennoch immer durchsetzen?
Armstrong: Ich glaube, es war John Quincy Adams, jr., der einen sehr klugen Kommentar abgab, als er die Konföderierten im Amerikanischen Bürgerkrieg geschlagen hatte: »Wir haben den Feind bezwungen. Wir haben den Hügel eingenommen. Wir sind der Feind geworden.« …
Smart Investor: Vielen Dank für das interessante Gespräch.
Interview: Ralf Flierl, Ralph Malisch